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Wie Rievkooche ohne Apfelmus - Glosse zum Kölner Karneval

Robert Griess · 11.01.2024

Rievkooche ohne Apfelmus? © Foto: Rhönbergfoto / stock.adobe.com

Rievkooche ohne Apfelmus? © Foto: Rhönbergfoto / stock.adobe.com

Das Jahr 2021 geht in die Kölner Geschichte ein als das Jahr, in dem der Karneval ausfiel. „Sehr schlimm?“, hat KölnerLeben den Kabarettisten Robert Griess gefragt.

Wenn wir Kölner eins können, dann: uns alles schönreden. Also los, kein Karneval 2021 – das bedeutet: Die Kids ab zwölf sind nicht von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch durchgehend komatös betrunken und reihern die Stadt voll. Wir können nachts durchschlafen, ohne dass wir von den Sangeskünsten sich spontan bildender Freiluft-Chöre geweckt werden.

Muffel müssen nicht, wie einst Kaiser Wilhelm II., vorübergehend ins holländische Exil und die teuren Mieten in Domburg und Renesse zahlen. Die Stadt ist nicht total vollgemüllt. Und in Radio und TV laufen mit etwas Glück nicht die neuesten Hits, sondern die ruhigeren Klassiker aus Zeiten, in denen Karneval noch nicht nur eine große Kommerzmaschine war. So weit das Positive. Doch wenn wir ehrlich sind:

Köln ohne Karneval

– das ist wie Italien ohne Cappuccino, Apple ohne iPhone, Autos ohne Räder, der Rhein ohne Wasser, Rievkooche ohne Apfelmus oder ’ne halve Hahn ohne Röggelchen. Ein ausgefallener Rosenmontagszug, okay. Aber eine ganze Session? Gab es höchstens mal im Zweiten Weltkrieg.

Der Grund, warum Karneval dieses Jahr ausfällt, könnte aber jecker nicht sein: Lebensfreude und Überlebenswille. Mer klääveam Lääve, wie die Fööss singen. Der Karneval ist ja Ausdruck dieses Willens, pass auf: Wir sind ja nur deshalb solche Feierbiester, weil Köln die Welthauptstadt der Misswirtschaft ist. Wir kriegen nichts auf die Reihe, können da aber gar nichts für. Denn Köln wurde von Römern gegründet, als die Germanen hier noch auf den Bäumen hockten. Und das zieht sich bis heute durch die DNA unserer Geschichte: italienische Sorglosigkeit gepaart mit rheinischer Inkompetenz.

Und weil wir nichts geregelt kriegen, ist Köln eben auch die Welthauptstadt der Toleranz, weil wir von Anfang an aus unserer Geschichte gelernt haben: Jeder Fortschritt wurde von Fremden mit in die Stadt gebracht.

Und deshalb haben wir den Karneval erfunden:

um diese Fremden anzulocken, die dann ihre guten Ideen mitbringen. Und an Karneval kommen sie alle: Bayern, Berliner, Schwaben, Berliner Schwaben, Saar-, Sauer- und Holländer, Ostwestfalen, Sachsen, Niedersachsen und Angelsachsen – um fünf Tage im Jahr so sein zu dürfen, wie sie gerne immer wären: wie wir Kölner!

Sie drängen sich in unseren Kneipen und singen schunkelnd kölsche Lieder. Keine Stadt auf der ganzen Welt wird so oft in Liedern besungen wie Köln, geschätzt in zwei Millionen. Nehmt zum Vergleich Bochum: Die haben nur eins! Und dann der Sex. Natürlich gilt auch an Karneval: Nein heißt Nein! Egal, wann und wo. Aber ansonsten ist alles erlaubt. Nirgends kann man so leicht Sex haben wie im Karneval – abgesehen von Berliner Nachtclubs und dem englischen Königshaus. Und ich meine hier nicht Sex mit dem eigenen Partner. Meine Oma hat immer gesagt: „Nimm doch deine Freundin nicht mit zum Karneval. Du nimmst doch auch kein Bier mit nach München!“

Karneval ist Freiheit, Enthemmung und Verschwendung.

Also im Grunde all das, was uns auch den Rest des Jahres ausmacht, nur eben zum Quadrat. Der Kölner Karneval ist für den Mitteleuropäer das, was für den Moslem die Pilgerfahrt nach Mekka: Man muss einmal im Leben dabei gewesen sein, sonst fehlt was! Dieses Jahr wird es also nichts damit.

Und das, obwohl wir als Jecke auch ohne Corona gerne Maske tragen, zumindest in der Fünften Jahreszeit. Aber mal ehrlich: Bützen verboten, Mitsingen verboten, Schunkeln nur mit 1,50 Metern Abstand – „dat hätt doch keine Senn“ (nochmal die Fööss). Karneval, das ist eben auch Ekstase, Rausch und Liebe, also die kölsche Version von Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll! Dann lieber einmal kein Karneval feiern als falsch Karneval feiern! Nächstes Jahr treiben wir es dann wieder umso jecker. Je oller, je doller!


© Robert Griess

Robert Griess ist Kölner Kabarettist und Autor. Im Michael Müller Verlag ist sein Buch „Köln – satirisches Handgepäck“ erschienen.

Griess zeigt auch regelmäßig „Die Köln-Show“ im Senftöpfchen-Theater.
Infos und Termine: www.robertgriess.de und www.koeln-show.de

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Tags: Glosse , Kölner Karneval