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Gemütlich radeln im bergischen Gleisbett

Tim Farin · 30.04.2024

Malerische Bahnhöfe wie hier in Burscheid liegen am Weg. Foto: Holger Hage für "Das Bergische".

Malerische Bahnhöfe wie hier in Burscheid liegen am Weg. Foto: Holger Hage für "Das Bergische".

Als im Bergischen Land Zugverbindungen eingestellt wurden, ergaben sich neue Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten wie Radsport und Hundespaziergänge. Die Radwege führen KölnerLeben-Autor Tim Farin auf Bahntrassen zu alten Schieferfassaden und berühmten Waffeln.

Vögel zwitschern, die Sonne blitzt zwischen den Bäumen am Wegesrand durch und ich komme zur Ruhe. Ich rolle entspannt und merke kaum, dass es tatsächlich den Berg hinaufgeht. Es ist ein Mittwochmorgen im Rheinland, eben war ich noch mit dem Fahrrad im Kölner Berufsverkehr und im Zug nach Opladen unterwegs. Eine halbe Stunde später blicke ich auf saftige Wiesen und Häuser mit Schieferfassaden. Schon bin ich mitten im Bergischen Land. Das war einfach.

Ich bin unterwegs auf der „Balkantrasse“, einer bei Sport- wie Freizeitradlern, Spaziergängern und Menschen mit Hunden gleichermaßen beliebten Strecke. Es ist tatsächlich eine Trasse, denn früher verlief hier eine Eisenbahnstrecke. Auf ihr beförderte seit 1876 bis zur endgültigen Stilllegung 1997 der sogenannte Balkan-Express Reisende zwischen Leverkusen-Opladen und Remscheid-Lennep. Er bummelte bergan aus der betriebsamen Rheinebene in die Abgeschiedenheit des Bergischen Landes. Um dies ironisch zu verdeutlichen, gab der Volksmund dem dort verkehrenden Zug bald nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Namen.

„Das Schöne an der Balkantrasse ist, dass sie sehr gut an Bahnhöfe angebunden ist.“

Stephan Behrendt, 73, aktiver Radler

Der ist bis heute geblieben, anders als die Bahnlinie selbst. Die trug sich finanziell nicht mehr und ist seitdem Geschichte. Statt Schotter und Gleis ebnet Asphalt den Weg. Mit seinen sanften Steigungen bietet er die Möglichkeit, das ansonsten sehr hügelige Gelände auf dem Fahrrad bequem zu meistern.

Keine Konflikte mit Straßenverkehr

Diese Trasse ist nur eine von mehreren ehemaligen Zugstrecken, die nicht nur im Bergischen, sondern auch in der Eifel und andernorts zu finden sind. Oft sind sie gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. „Das Schöne an der Balkantrasse ist, dass sie sehr gut an Bahnhöfe angebunden ist“, erzählte mir Stephan Behrendt, 73, aktiver Radler aus der Domstadt. So lasse sich der Einstieg von Köln aus ganz bequem einrichten. Damit hatte er mich ermuntert, die heutige Tour zu unternehmen. Ich bin erst ein paar Kilometer gefahren, da bin ich schon überzeugt vom außergewöhnlichen Konzept dieser Route.


Ausgezeichnete Wege und Verbindungen. Foto: Holger Hage für "Das Bergische".

Ich bin kurz hinter Bergisch Neukirchen und kann meinen Blick auf grüne Hügel und eine Landschaft richten, die sich in der Morgensonne schön macht. Bald darauf komme ich an einem echten Bahnhof vorbei, mit analoger Zeigeruhr und Stationsschild. Ob ich wohl im Fahrplan liege, frage ich mich schmunzelnd. Allerdings steht hier in Pattscheid niemand mehr wartend am Bahnsteig. Nur das alte, verschieferte Gebäude harrt an meiner Route aus. Jeglicher Stress und Eile sind auf den alten Bahntrassen passé.

Touren für Fahrrad oder E-Bike

„Die Bahntrassen haben den Vorteil, dass ich hier ohne Autoverkehr und Abgasgeruch, aber mit Vogelgezwitscher und schönen Blicken weite Fahrten machen kann“, berichtet mir Sabine Krämer-Kox, die ich beim nächsten Stopp treffe. Sie ist Sprecherin der Ortsgruppe Wermelskirchen/Burscheid im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), kommt aus dem Bergischen und ist beinahe jeden Tag mit ihrem „Gravel-Bike“, einem Rennrad, das aber auch geländegängig ist, auf den Bahntrassen ihrer Region unterwegs.

Krämer-Kox bietet Radtouren in der reizvollen Umgebung an und weiß, dass gerade die alten Zugstrecken die Menschen anziehen. „Am Wochenende und im Sommer kann es schon mal voller werden, da muss man sich etwas vorsichtiger verhalten. Da die Strecken so steigungsarm und gut in Schuss sind, nutzen sie auch Skater und Fußgänger gern für ihre Zwecke“, erklärt sie. „Es geht hier ums rücksichtsvolle Miteinander.“

„Es geht hier ums rücksichtsvolle Miteinander.“

Sprecherin der Ortsgruppe Wermelskirchen/Burscheid im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC)

Eine Weile radeln wir zusammen, dann biegt sie ab. Das Verblüffende an der Route nach Remscheid habe ich tatsächlich bald verstanden. Es geht hoch hinaus, vom Rheintal bis zum höchsten Punkt sind sogar fast 300 Höhenmeter zu überwinden – an sich also ein richtiger Berg. Doch die ehemaligen Bahnstrecken sind für schwerfällige Triebwagen im Eisenbahnverkehr angelegt worden. Die Steigung beträgt maximal 2,4 Prozent, was für halbwegs geübte Fahrradfahrer oder mit dem E-Bike kaum der Rede wert ist. „Die Strecken lassen sich sehr gut mit allen Typen von Fahrrädern bewältigen, sei es mit dem Pedelec, mit einem Tourenrad oder natürlich auch mit dem Rennrad“, hatte mir Fahrradexperte Behrendt bereits verraten.

Ein Muss im Bergischen: Waffeln

Als ich auf der Strecke weiterfahre, ist es sehr ruhig, mal kommt ein Rennradfahrer vorbei, mal passiere ich einen Fußgänger mit Hund an der Leine. In Hilgen-Neuenhaus fahre ich an einerHolzhütte am Wegesrand vorbei. An Sonn- und Feiertagen stehen hier ehrenamtliche Helfer der Evangelischen Kirchengemeinde und bieten den Ausflüglern eine der leckersten Spezialitäten des Bergischen: Waffeln. Die „Waffelpause“ ist inzwischen zur Institution an der Balkantrasse geworden.

Die Stadt Wermelskirchen zeichnete im vergangenen Jahr die Initiative mit dem Heimatpreis aus. Lust auf eine Pause hatte ich schon in Burscheid. Dort wurde der alte Bahnhof zur Gaststätte mit Biergarten umgebaut und liegt selbstredend gleich an der Strecke. Doch oft muss man die Trasse für einen Kaffee oder Blick in die Städtchen verlassen, aber ins Dorf ist es nie weit.


Bergische Waffeln versüßen jede Rast. Foto: Herbich / Pixabay

Am Ende der 28 Kilometer langen Strecke bis Lennep lockt das Remscheider Röntgen-Museum mit „der geheimnisvollen Welt des Unsichtbaren“. Oder man fährt weiter und wechselt auf eine andere Route. Das ist bequem möglich – sei es auf die „Nordbahntrasse“ bei Wuppertal, die auch aus dem Alltagsverkehr kaum noch wegzudenken ist, sei es auf die „Radroute Wasserquintett“, die nach Radevormwald, Wipperfürth und Marienheide führt. Ich halte es für reizvoll, die Trassen auch für mehrtägige Ausflüge zu nutzen. Dann könnte ich während der Saison von Mai bis Mitte Oktober an Wochenenden und Feiertagen sogar einen Shuttle-Service nutzen. Ein Bus mit Fahrrad-Anhänger, den man jederzeit beanspruchen kann, pendelt zwischen Opladen und Marienheide an den Trassen. Umso mehr Zeit bliebe mir für Waffeln und Biergarten.

www.balkantrasse.de

Der kostenfreie Bergische Fahrradbus fährt am Wochenende und an Feiertagen vom 29. April bis 15. Oktober:
www.dasbergische.de/aktiv-entspannen/radfahren/bergischer-fahrradbus

Fahrten auf den Routen bietet auch der ADFC Rheinberg-Oberberg – auch für Nichtmitglieder:
https://rheinberg-oberberg.adfc.de Überblick über die verschiedenen Strecken, die im Bergischen Land über Bahntrassen er- schlossen sind: www.dasbergische.de https://einfach-bergisch-radeln.de

Ausflugstipp

Deutsches Röntgen Museum
Schwelmer Str. 41,
42897 Remscheid,
Tel. 02191 / 16-33 84

Di–So 10–17 Uhr,
Eintritt: 5/3 Euro
www.roentgenmuseum.de

Radwege in der Eifel:

www.eifel.info/radfahren/radwege/radwege-bahntrassen

Die Vennbahn

Die Vennbahn etwa führt über 128 Kilometer von Aachen über das Hochmoor Hohes Venn nach Troisvierges im Norden Luxemburgs. www.eifel.info/a-vennbahn

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Tags: Fahrradfahren , Radtour

Kategorien: Rad fahren , Rad fahren