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Mit Fußball gegen Demenz

René Denzer · 05.09.2023

Hermann Mertens (links) und Stefan Lakenbrink sind Ehrenamtler beim Verein "FC-Echo hilft". Immer mit dabei: ein Koffer voller Erinnerungen. Fotos: René Denzer

Hermann Mertens (links) und Stefan Lakenbrink sind Ehrenamtler beim Verein "FC-Echo hilft". Immer mit dabei: ein Koffer voller Erinnerungen. Fotos: René Denzer

Der Kölner Verein „FC-Echo hilft“ ermuntert an Demenz erkrankte Menschen, ihre Erinnerungen auszupacken. Möglich macht das ein Koffer voller Fan-Trikots, Fotos und Artikeln über den 1. FC Köln. Lesen Sie über ein Ehrenamt mit Gänsehaut-Momenten.

Die ältere Frau umklammert ein Plüschtier. Hennes, das Maskottchen des 1. FC Köln wird liebevoll gestreichelt. Vor ihr auf dem Tisch liegen Fotos von ehemaligen Spielern des Fußballclubs: Flohe, Overath, Schumacher, Litti und Co. In der Mitte des Tisches steht ein Wimpel, Schals sind ausgebreitet. Alte Zeitungsartikel liegen herum. Trikots hängen in dem Zimmer, das sich in Haus 4 auf dem Gelände der Sozial-Betriebe-Köln (SBK) in Riehl befindet.


Hennes weckt alte, vergessen geglaubte Erinnerungen – umso mehr, wenn er aus Plüsch ist. Foto: René Denzer

Nach und nach füllt es sich. Jeder der Anwesenden bekommt einen Plüsch-Hennes. Sind alle Plätze am Tisch belegt, geht es los. Die Hymne des FC ertönt, Schals wirbeln durch die Luft. „Heute widmen wir uns den glorreichen 1970er Jahren“, sagt Hermann Mertens, Ehrenamtler vom Verein „FC-Echo hilft“, der „Manes“ gerufen wird. Zusammen mit Stefan Lakenbrink besucht er regelmäßig die Bewohner der SBK. Immer mit dabei: der FC-Erinnerungskoffer. Der ist bestückt mit FC-Artikeln, die Manes und Stefan vor dem Eintreffen ihrer Gäste im Raum verteilen. Sie dienen dabei einem Zweck: Erinnerungen wecken bei Menschen mit Demenz.


Wenn die Schals wirbeln, kommt Stimmung auf. Fotos: René Denzer

„Mit den Fan-Utensilien werden sogenannte Schlüsselreize gesetzt“, sagt Nadine Diederich-Cujai. Das soll den Menschen helfen, sich zu erinnern und von ihren eigenen Erlebnissen rund um die Geißbock-Elf zu berichten, so die Mitarbeiterin des Regionalbüros Alter, Pflege und Demenz Region Köln. Dessen Träger, die Alexianer, startete das Projekt 2019 gemeinsam mit dem Verein. Unterstützt wird es von der Stiftung des 1. FC Köln und der Band „Die Höhner“.

Gänsehaut-Momente mit dem 1. FC Köln

In Köln leben circa 30.000 Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Weckt man ihre Erinnerungen an positive Erlebnisse, ist ein Zugang zu längst vergessen Geglaubtem möglich. Mit dem 1. FC funktioniert das wohl prima. Wichtig ist: Die Ehrenamtlichen, die mit dem Koffer unterwegs sind, werden vorab durch das Regionalbüro geschult. Es klärt auf, was Demenz ist, welche Krankheitsbilder es gibt und wie man mit Demenzkranken am besten spricht. 28 Freiwillige wurden bereits ausgebildet. „Diese haben in den letzten Jahren insgesamt zwölf Einrichtungen regelmäßig besucht“, berichtet Diederich-Cujai. Und die Nachfrage von Einrichtungen steigt. Besonders nach Corona.

„Wir fangen mit Fußball an und schauen, wo es endet. Da können die Gespräche durchaus auch bei ganz anderen Themen landen.“

Michael Tuchscherer, Vorsitzender des „FC-Echo hilft“

Denn es macht allen Freude, in alten, ruhmreichen Erinnerungen von Meisterschaft und Pokal-Sieg des FC zu schwelgen. „Fußball dient dabei als Türöffner, er ist der emotionale Aufhänger“, sagt Michael Tuchscherer, Vorsitzender des „FC-Echo hilft“. „Wir fangen mit Fußball an und schauen, wo es endet. Da können die Gespräche durchaus auch bei ganz anderen Themen landen.“ Das können Stefan und Manes bestätigen.


Woran erinnern Sie sich, wenn Sie alte FC-Fotos sehen? Foto: René Denzer

Sie berichten von vielen Gänsehaut-Momenten, wenn altes kölsches Liedgut angestimmt wird oder die Teilnehmenden von Erlebnissen aus ihrer Kindheit und Jugend sprechen. „Die Menschen haben so viel zu erzählen“, sagt Manes. Er ist über eine E-Mail vom FC auf das Projekt aufmerksam geworden und von Anfang an dabei. Stefan, 63 Jahre alt, ist später dazugestoßen. Er wollte sich nach seiner aktiven Zeit als Feuerwehrmann unbedingt ehrenamtlich engagieren. Manes hat bis 2016 gearbeitet. Der heute 68-Jährige war selbstständig. „Ich wollte von dem Glück, was ich selber hatte, etwas zurückgeben“, erklärt er seine Motivation.

„Es ist für mich eine schöne, berührende Zeit.“

Hermann Mertens, Ehrenamtler, Verein „FC-Echo hilft“

Rund anderthalb Stunden bleiben Manes und Stefan an diesem Tag in Haus 4 der SBK. Das Double von Meisterschaft und Pokal wird angesprochen, Fotos der Spieler mit den Trophäen begutachtet, die Frisur von Toni Schumacher diskutiert. Thematisiert wird auch Preußen Dellbrück, ein ehemaliger Verein im Rechtsrheinischen, und die Zeit der Jugend allgemein. Manche der Anwesenden zeigen sich redseliger als andere. Beim nächsten Treffen kann es genau andersherum sein. Als das Mittagessen ansteht, packen Manes und Stefan die Fan-Utensilien wieder in den Koffer. Bis auf den Plüsch-Hennes, den dürfen alle behalten. Manes ist froh, bei dem Projekt mitzuwirken. „Es ist für mich eine schöne, berührende Zeit.“ Wenn der Stammtisch rum ist, fahre er „öfters mal mit einem Tränchen im Auge nach Hause“.

FC-Echo hilft e.V.
Oberstr. 32,
51149 Köln
E-Mail: erinnerungskoffer@fc-echo-hilft.koeln oder info@fc-echo-hilft.koeln
www.fc-echo-hilft.koeln

Ehrenamtstag in Köln

Der FC-Echo hilft e.V. wird am So, 3.9., 13–17 Uhr beim Ehrenamtstag auf dem Heumarkt vertreten sein.

FC-Fans gesucht!

Es werden Fan-Utensilien aus früheren Zeiten gesucht sowie FC-Fans, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich!
Bitte melden bei:
Nadine Diederich-Cujai,
Tel. 02203 / 358 95-14,
E-Mail: n.cujai@alexianer.de
Martina Romeike,
Tel. 02203 / 358 95-11,
E-Mail: m.romeike@alexianer.de

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Tags: 1. FC Köln , Ehrenamtliche Hilfe bei Demenz , Kölner Vereine

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